Einleitung
Im Oktober 2017 entschied ich mich nach langen Überlegungen an einer YogalehrerInnen-Ausbildung teilzunehmen. Ich selbst praktiziere seit vielen Jahren Yoga und das wunderbare Gefühl der Leichtigkeit und Erdung nach den Yogastunden machte mich neugierig, mehr über Yoga zu lernen. Immer wieder hatte ich große Zweifel, ob eine Ausbildung das richtige für mich ist, da ich mich körperlich nie als besonders beweglich empfunden habe. Doch nach meinem ersten Ausbildungswochenende war ich vollkommen in den Bann gezogen, hin und wieder hatte ich Zweifel, aber ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war.
In der Zeit der Ausbildung nahm Yoga einen sehr großen Teil meines Lebens ein, ich besuchte wöchentlich mehrere Yogastunden, bereitete die Ausbildungswochenenden nach und vor. Versuchte Meditation und die körperliche Praxis in meinen täglichen Alltag zu integrieren, tauschte mich mit den anderen Teilnehmerinnen aus und erzählte auch meinem Umfeld von meinen neuen Erfahrungen. Besonders viele Unterhaltungen führte ich mit meinem Freund Janosch. Er selbst ist seit einem Unfall 2011 querschnittsgelähmt. Damit ist nicht nur ein großer Teil an Selbstständigkeit verloren gegangen, sondern auch das Körpergefühl ein völlig anderes geworden. Dazu kommen Probleme, wie die Temperaturregulation, Atmung und Kontrakturen. Trotz dieser körperlichen Veränderungen hat Janosch ein großes Interesse an meiner Ausbildung gezeigt. Oft habe ich ihm von körperlichen Übungen oder Meditationen berichtet und einiges haben wir gemeinsam ausprobiert. Je weiter ich in der Ausbildung vorangeschritten war, desto mehr habe ich gemerkt, wie ganzheitlich Yoga ist und dass es keinesfalls auf die körperlichen Asanas reduziert werden kann. Mehr und mehr lernte ich Übungen kennen, die einen Übenden mit dem Körper verbinden. Das Gefühl der Verbundenheit mit dem eigenen Körper ist ein Gefühl, dass bei querschnittsgelähmten Menschen vollkommen anders ist. Auf der einen Seite werden Körperteile weniger oder gar nicht gefühlt, auf der anderen Seite ist es überaus wichtig kleinste Störungen wahrzunehmen um Komplikationen, wie beispielsweise Druckstellen, entgegenzuwirken. Ich dachte viel darüber nach was für einen großen Nutzen Personen mit einer Querschnittslähmung aus dem Yoga ziehen können. Da ein Teil meiner Abschlussarbeit die Erstellung einer Hausarbeit zu einem selbstgewählten Thema ist, habe ich entschieden mich der Verbindung der Themen Querschnittslähmung und Yoga zu widmen.
Als erstes möchte ich dabei näher auf das Krankheitsbild der Querschnittslähmung und damit einhergehende Probleme eingehen. Im zweiten Teil gehe ich auf das weite Thema des Yogas ein, werde die 6 Wege des Yogas beschreiben und mit einer eigenen Sicht auf Yoga zu einer Vereinigung der beiden Themen überleiten. Hier zeige ich praktische Übungen und ein Praxisbeispiel auf. Die Arbeit schließt mit einem persönlichen Fazit ab.
1 Querschnittslähmung
1.1 Einführung
Das medizinische Wörterbuch Pschyrembel definiert eine Querschnittslähmung folgendermaßen:
Traumatisch oder nichttraumatisch bedingte vollständige oder anteilige (inkomplette) Schädigung von Rückenmark […], in der Folge Querschnittlähmung mit akuten oder chronisch progedienten, isolierten oder kombinierten Ausfällen motorischer, sensibler oder autonomer Funktionen.
Psychrembel online, psychrembel.de
Schon beim Lesen dieser Definition fällt die häufige Verwendung des Worts „oder“ auf. Hier wird direkt klar, dass es sich um ein komplexes Krankheitsbild handelt, dass von Person zu Person sehr individuell zu betrachten ist.
Die Komplexität beginnt schon mit den unterschiedlichen Ursachen, einerseits kann die Ursache eine Verletzung sein, andererseits gibt es aber auch Krankheiten, aus denen eine Querschnittslähmung hervorgeht. Eine weitere Unterscheidung liegt in der Schädigung des Rückenmarkes, diese kann vollständig oder inkomplett sein, man spricht von einem kompletten oder inkompletten Querschnitt. Bei einem kompletten Querschnitt sind an der betroffenen Stelle des Rückenmarks alle Nerven beschädigt. Folge ist eine komplette Lähmung der betroffenen Gliedmaßen. Mediziner*innen sprechen hier von einer Plegie. Die Paraplegie beschreibt eine Lähmung beider Beine, bei einer Tetraplegie sind Arme und Beine betroffen. In diesem Fall befindet sich der Rückenmarksschaden im Halsbereich und je nach Ort der Schädigung kann auch die Atemmuskulatur betroffen sein. Bei einem inkompletten Querschnitt ist ein Teil der Nervenfasern geschädigt. Trotz einer Lähmung kann hier eine Restbeweglichkeit und Sensibilität erhalten sein (vgl. Schneck, Apothekenumschau). Die Ursache für die Lähmung bzw. Unfähigkeit der Bewegung ist darin begründet, dass die Reizübertragung vom Gehirn an die Muskeln unterbrochen ist. Zwar meldet das Gehirn das Signal zur Kontraktion der Muskeln durch das Rückenmark, jedoch kann das Signal nicht durch die verletzte Stelle und bis zu den Muskeln gelangen (vgl. Konrad, www.der-querschnitt.de). Die Herausforderungen, die sich für die betroffenen Personen ergeben, können vielfältig und sehr unterschiedlich in ihrer Ausprägung sein und werden im folgenden Kapitel beschrieben.
1.2 Hauptprobleme bei Personen mit Querschnittslähmungen
Am deutlichsten sichtbar ist für alle das „Nicht-Gehen-Können“, somit wird dies häufig von Außenstehenden als gravierendstes Problem wahrgenommen. Doch das ist nicht unbedingt deckungsgleich mit den Empfindungen des*r Querschnittgelähmten. Auf dem Informationsportal https://www.der-querschnitt.de sind die zehn häufigsten Folgen einer Querschnittslähmung aufgeführt und genau erläutert. Im Folgenden möchte ich fünf der Folgen genauer vorstellen, da ich hier direkte Ansatzpunkte im Yoga sehe.
1. Einschränkung der Mobilität
Die eingeschränkte Mobilität stellt das Hauptsymptom der Querschnittslähmung dar. Wie bereits beschrieben können neben den Beinen bei einem hohen Querschnitt auch die Arme betroffen sein. Aus der fehlenden Bewegung kann es zu weiteren Problematiken, wie einer Verkürzung der Muskeln und Bändern, sowie dem Versteifen von Gelenken kommen.
2. Störung der Atemfunktion
Bereits bei einem tiefen Querschnitt, bei dem die Bauchmuskulatur betroffen ist, kann es zu Störungen der Atmung kommen, denn Husten ist nicht oder nur eingeschränkt möglich. So können z.B. Fremdkörper, die in die Lunge gelangen nicht ausreichend abgehustet werden und das Risiko einer Lungenentzündung steigt. Bei einer hohen Lähmungshöhe können das Zwerchfell, die Zwischenrippenmuskulatur, sowie die Halsmuskulatur beeinträchtigt sein. Somit ist eine Atmung über die Atemhilfsmuskulatur bei den meisten Betroffenen nicht möglich.
3. Sensibilitätsstörung
Unterhalb der Lähmungshöhe kann die Oberflächen- und Tiefensensibilität eingeschränkt sein. Während sie bei kompletten Lähmungen vollständig ausfällt, können bei inkompletten Lähmungen verschiedene Funktionen erhalten bleiben und verschiedene Ausfälle auftreten. Die Wahrnehmung von Reizen über die Haut, wie Schmerz, Kälte, Hitze, Berührung, Nässe und die Reize aus dem Körperinneren, wie Position der Gelenke, Aktivitätszustand von Muskeln und Sehen, ist eingeschränkt. Daraus folgt eine erhöhte Verbrennungsgefahr oder eine Gefahr für die Entstehung von Druckstellen. Ebenso fehlt querschnittsgelähmten Menschen häufig das Gefühl dafür, wo Körperteile enden, wo sie sich im Raum befinden sowie das Gefühl über den Körper als ganze Einheit.
4. Temperaturregulationsstörungen
Die Fähigkeit des menschlichen Körpers sich an die Außentemperatur anzupassen und sich selbst auf ca. 37 C° zu halten, ist bei einer Querschnittlähmung aufgrund der vorliegenden Störung der autonomen Funktionen der Wärmeproduktion und Wärmeabgabe eingeschränkt. Unterhalb der Lähmungshöhe können Betroffene weder schwitzen noch vor Kälte zittern. Daher kann es besonders schnell zu Unterkühlung oder Überhitzung kommen.
5. Spastiken
Eine Spastik entsteht bei einer Querschnittlähmung, wenn durch die Rückenmarksverletzung die Funktion des Zentralen Nervensystems eingeschränkt ist. Es kommt zu einer unkontrollierbaren Eigenaktivität der Muskeln in den von der Lähmung betroffenen Gliedmaßen. Bei starker Ausprägung können diese unwillkürlichen Muskelspasmen den Alltag erheblich erschweren; unbehandelt können Spastiken u. a. zu Kontrakturen führen. Es gibt allerdings auch positive Eigenschaften der Spastik, da sie u.a. zur Stabilisierung des Körpers z. B. bei Transfers beitragen kann (vgl. Konrad, www.der-querschnitt.de).
2 Yoga
2.1 Was ist Yoga?
„Yoga ist kein alter Mythos, der in Vergessenheit geraten ist. Yoga ist unser wertvollstes Erbe und genau dieses Erbe wird heute so dringend benötigt. Yoga ist die Kultur der Zukunft.“ (Swami Satyananda Saraswati, 1)
Yoga deckt sämtliche Aspekte der Menschen und der Natur ab: Körper, Sinne, Gefühle, Seele, Geist, sowie die höchste Selbstverwirklichung. Die Methoden sind dabei ebenso vielfältig und erstrecken sich von Körperhaltungen, Atemübungen, Schulung der Sinne, Affirmationen, Visualisierungen, Mantras, Meditationen und Ethik. Zeit und Raum sind dabei nicht entscheidend, sondern das Zusammenspiel zwischen materiellen, subtilen und formlosen Universen, die in jedem Menschen sind (vgl. Frawley, 17). Das Wort Yoga leitet sich von dem Sanskritwort yuj ab. Yuj heißt so viel wie verbinden, zusammenfügen, vereinen. So drückt das Wort Yoga die Verbindung des individuellen mit dem universellen Bewusstsein auf spiritueller Ebene aus (vgl. Saraswati, 1). In den Yogasutras hat Patanjali Yoga als die vollständige Beherrschung des Geistes beschrieben. Dies umschließt dabei alles, von der kleinsten mentalen Aktivität, bis zur höchsten Einsicht des Überbewussten. Es geht nicht nur um die alltäglichen Gedanken, sondern um alle Bewusstseinsebenen einschließlich der kosmischen. Nur wenn dies erreicht ist, kann das Wissen um unser wahres Selbst, Atman, jenseits von allem Manifesten, entspringen. Hier liegt das höchste Ziel des Yogas. Im stillen Geist wird unsere wahre Seele sichtbar und der Mensch transzendiert die Zeit, den Raum und das Karma und geht in der Unendlichkeit auf (vgl. Frawley, 58). Um den Geist zu bändigen muss nicht nur der Körper, sondern alle äußeren Aspekte gebändigt werden.
2.2 Sechs Wege des Yogas
Im integralen Yoga wird der Mensch als ein multidimensionales Wesen verstanden, welches unterschiedliche Ebenen hat. Das Ziel ist die bereits beschriebene Einheit, dabei ist nicht wichtig, dass alle Personen einem bestimmten Weg folgen um dies zu erreichen, sondern diesem gemäß unserer Vorlieben und Möglichkeiten anzupassen (Frawley, 62). Diese Pfade oder Wege werden in der Literatur auch als die sechs Wege des Yogas beschrieben (vgl. Yoga Wege). Die Wege sind dabei nicht isoliert zu betrachten sind, sondern ergänzen sich gegenseitig:
Bhakti Yoga wird als einer der wichtigsten und einfachsten Yoga-Wege beschrieben. Anders als in anderen Yoga-Wegen spielen hier Emotionen eine entscheidende Rolle. Bhakti-Yoga wandelt dabei die Emotionen so um, dass sich reine, allumfassende Liebe entfalten kann und wir uns mehr und mehr mit Gott verbinden können. Bhakti Yoga ist also der Weg über das Herz.
Jnana Yoga ist das Yoga des Wissens. Dabei geht es nicht um rationales Wissen und Verstehen, sondern ein erfahrbares Wissen und Verstehen. Es geht darum sich mit Lehren und Aussagen über die Wirklichkeit immer mehr von geistigen Konzepten zu lösen, diese zu transzendieren und zu erfahren was jenseits des rational Erfassbarem steckt. Wahrheit bedeutet in diesem Weg Gott oder das Göttliche in allem zu sehen.
Karma Yoga kann als Handeln im Moment beschrieben werden. Es ist mehr eine geistige Einstellung als eine Praktik. Im Zentrum steht dabei das Handeln ohne Erwartungen. Dies wird erreicht, durch den ständigen Versuch selbstlos zu handeln, Gleichmut in Erfolg und Misserfolg zu haben und sich selbst nicht mit dem Erfolg zu identifizieren.
Raja Yoga oder auch Königsyoga wird als der schwierigste Yoga-Weg beschrieben. Beim Raja Yoga ist der zentrale Punkt die Beobachtung des Geists und die damit verbundenen Gedanken und Gefühle zu analysieren und Muster aufzulösen, kurz gesagt den Geist leer werden zu lassen. Sehr klar ist dies in den Yoga Sutras von Patanjali ausgedrückt yogaś-citta-vṛtti-nirodhaḥ (Yoga Sutras Vers 1.2) – Yoga ist das ZurRuhe-Kommen der Geistesinhalte.
Hatha Yoga ist im Westen die bekannteste Yogaform, sie wird auch als Körperarbeit beschrieben. Man will die Harmonisierung des Menschen in seiner Ganzheit über die Arbeit mit dem Körper erreichen. Die Methode des Hatha Yogas baut auf fünf Säulen auf: Körperübungen, Atemübungen, Tiefenentspannung, bewusste Ernährung, Reinigungsübungen, Meditation.
Kundalini Yoga bedient sich ähnlicher Praktiken wie das Hatha Yoga. Es kann dabei als logische Fortsetzung des Hatha Yogas bezeichnet werden. Denn ist der Körper durch die Übungen des Hatha Yogas in Harmonie gekommen, kann das Energieniveau erhöht werden. Der Fokus des Kundalini Yogas liegt also sehr stark auf unseren Energien, dabei haben die Chakren eine große Bedeutung (vgl. 6 Yoga Wege).
Die Darstellung der sechs Wege des Yogas sollen verdeutlichen wie unterschiedlich die Möglichkeiten sind Yoga zu praktizieren. Es ist somit jedem Menschen möglich das Ziel der Einheit anzustreben.
2.3 Meine Sicht auf Yoga oder was Yoga für mich bedeutet
In meiner ersten Ausbildungseinheit wurde ich gefragt was Yoga für mich ist. Leider habe ich meine Antwort nicht aufgeschrieben und kann somit nicht mehr vergleichen, inwiefern meine Einstellung sich verändert hat. Heute kann ich sagen, dass Yoga für mich nicht nur auf der Matte oder im Studio da ist. Yoga begleitet mich immerzu und ist zu einer Grundhaltung geworden. Das hat für mich sehr viel mit Individualität und Liebe zu tun. Nicht alles bewerten, auch nicht mich, vergeben auch mir und anzuerkennen, dass alles miteinander verbunden ist und ständig in Wechselwirkung miteinander steht. Mein eigenes Handeln und meine Gedanken haben Einfluss auf die Welt und darum bin ich wichtig, genauso, wie jedes andere Lebewesen auch. Ich finde jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben Yoga zu praktizieren. Der erste Weg ist meist der in ein Studio, doch wie soll das gehen, wenn das Studio keinen barrierefreien Zugang hat? Wie sollen Personen, die in der Bewegung eingeschränkt sind an einem Kurs teilnehmen, wenn dieser in erster Linie aus Körperübungen besteht? Wie können wir es schaffen, dass unsere Schüler*innen diverser werden? Wie können wir Personen in die Praxis einbeziehen, die sich nicht mal eben auf den Boden legen oder setzen können, die Arme wie eine Baumkrone wachsen lassen können oder die Zehen wie Saugnäpfe aufsetzen können? Wie können wir alle vereint praktizieren ohne besondere Klassen zu eröffnen?
Antworten auf diese Fragen soll das folgende Kapitel bringen, in dem ich die Themen Yoga und Querschnittslähmung direkt in Verbindung bringe. Ich erläutere Übungen und den direkten Nutzen für die anfangs genannten Hauptprobleme von Querschnittsgelähmten, stelle ein Praxisbeispiel vor und lege in einem Fazit meine eigenen Ideen dar.
3 Yoga und Querschnittlähmung
Im kommenden Kapitel möchte ich versuchen die vorangegangenen Fragen zu beantworten. Starten möchte ich mit praktischen Übungen, die an den beschriebenen Hauptproblemen querschnittsgelähmter Personen ansetzen, so dass ein positiver Effekt auf die Gesundheit möglich ist. Danach möchte ich eine Möglichkeit vorstellen, wie querschnittsgelahmte Personen und gesunde Personen gemeinsam praktizieren können
3.1 Praktische Übungen
Den im ersten Kapitel beschriebenen Problematiken, wie die der Atemfunktion, Bewegungseinschränkungen und der Sensibilität können Pranayama- und Meditationstechniken entgegengesetzt werden, dem erhöhten Muskeltonus und der Versteifung von Gelenken gezielte Asanas, Mudras oder sanfte Bewegungsabläufe. Und sogar die Störung der Temperaturregulation kann mit gezielten Atemübungen positiv beeinflusst werden. Ich werde im Folgenden die Übungen benennen und kurz beschreiben, der Fokus liegt aber auf den positiven Effekten, die die Übungen den besonderen Herausforderungen von querschnittsgelähmten Personen entgegen stellen.
Kaki Mudra / Krähenschnabel
Diese Übung dient der Regulation des Wärmehaushalts und wirkt kühlend, gleichzeitig wirkt sie bei mentaler Anspannung lindernd (vgl. Saraswati, 435-436). Die Übung wird im Sitzen praktiziert und beinhaltet das Einatmen durch geschürzte Lippen und das Ausatmen durch die Nase. Der Zeitpunkt der Durchführung ist Tageszeit ungebunden und so eignet sie sich zur Abkühlung an heißen Sommertagen, nach körperlicher Anstrengung oder wann immer eine Reduktion der Körpertemperatur erforderlich ist.
Wechselatmung auch Anuloma Viloma oder Nadi Shodana
Diese Atemübung wird ebenfalls im Sitzen durchgeführt. Sie kann je nachdem wie sehr die Funktion der Finger beeinträchtigt ist angepasst werden. Bei dieser Übung wird abwechselnd nur durch das rechte bzw. linke Nasenloch eingeatmet und nach jedem Atemzug der Atemfluss angehalten, dabei werden die Nasenlöcher abwechselnd geschlossen gehalten. Ist dies nicht möglich, dann kann die praktizierende Person sich den Verschluss vorstellen, der Effekt ist ebenso vorhanden.
Abhängig von der Höhe der Querschnittslähmung können, wie bereits beschrieben die Hände ebenfalls beeinträchtigt sein. In diesem Fall kann das abwechselnde Verschließen der Nasenlöcher auch geistig durchgeführt werden. D.h. dass das Verschließen der Nasenlöcher nicht aktiv durchgeführt wird, sondern die übende Person sich dies vorstellt. Die Wirkung zeigt sich dabei auf unterschiedlichen Ebenen, zum einen führt sie zu einer feineren Wahrnehmungen des Atemflusses und verbindet die rechte und die linke Hemisphäre miteinander und wirkt somit beruhigend und ausgleichend auf den Energiefluss. Zum anderen kann durch das Verlangsamen des Atems die Atmung leistungsfähiger und das Lungenvolumen gesteigert werden (vgl. Saraswati, 385387). Somit kann aktiv dem Risiko der Lungenentzündung entgegengewirkt werden.
Bodyscan
Der Bodyscan ist eine Entspannungstechnik der Tiefenentspannung (vgl. Bodyscan). Die Ursprünge der Technik liegen in der Vedanta Meditationstechnik „Sakshi Bhav“ und der buddhistischen „Vipassana Meditation“. Die Übung wird im Liegen durchgeführt, die praktizierende Person tastet dabei in Gedanken den gesamten Körper ab.
Der Fokus liegt dabei auf dem Spüren des gesamten Körpers. Dies ermöglicht eine Art Beobachterrolle für den eigenen Körper einzunehmen und sich von den aktuellen Empfindungen zu lösen. Den meisten querschnittsgelähmten Personen ist es nicht möglich ihren Körper vollständig wahrzunehmen, diese Reise durch den gesamten Körper bietet ihnen die Möglichkeit den Körper als Ganzes wahrzunehmen und in alle Körperteile hinein zu spüren.
3.2 Praxisbeispiel: Seminar „Yoga für RollstuhlfahrerInnen und ihre PartnerInnen“
Im Oktober 2018 hatte ich die Möglichkeit an einem 3-tägigen Seminar von Antje Kuwert teilzunehmen. Antje bietet seit mehreren Jahren Yoga-Seminare für Querschnittsgelähmte und ihre Partner*innen an. Das Seminar fand in der Manfred-Sauer-Stiftung in Lobbach bei Heidelberg statt. Die Gruppe der Teilnehmenden bestand aus 6 Paaren von denen mindestens eine Person eine Querschnittslähmung hat. Ein Teilnehmer hatte sogar eine Yogalehrer-Ausbildung absolviert und unterrichtet nun selbst Menschen mit und ohne Querschnittslähmung. Ich hatte die Erwartung, dass viele Asanas von den Querschnittsgelähmten mit Hilfe der Partner ausgeführt würden. Doch da hatte ich mich getäuscht. Die einzelnen Kriyas, wie die Übungsreihen im Kundalini genannt werden, waren so konzipiert, dass alle Teilnehmenden diese allein ohne Hilfe ausüben konnten. Ich muss sagen, dass dieses Seminar mir eine neue Facette vom Yoga gezeigt hat. Sehr empfehlenswert ist auch das Buch von Antje Kuwert „Kundalini Yoga für RollstuhlfahrerInnen. Erweitern Sie Ihre Möglichkeiten“.
4 Fazit
Im Verlauf dieser Arbeit habe ich mich von der Vorstellung des Krankheitsbilds der Querschnittslähmung und einem Einblick in das Thema Yoga zu einer Vereinigung der beiden Themen getastet. Ohne Frage könnte dem Kapitel der Praxisbeispiele und Übungen noch etliche hinzugefügt werden, denn die Vielfalt der Asanas, Atemübungen sind hier noch lange nicht ausgeschöpft. Umso mehr ich mich in das Thema eingedacht habe, habe ich gemerkt, dass ich doch gerade erst an der Oberfläche kratze und es noch so viel mehr Übungen und Themenbereiche gibt, die es genauer zu untersuchen lohnen würde. Doch muss ich hier langsam zu einem Ende kommen.
Zu Beginn meiner Recherchen wollte ich einen Leitfaden erschaffen, in dem ich unterschiedliche Übungen für Querschnittsgelähmte beschreibe. Doch im Verlauf ist mir deutlich geworden, dass im Yoga so häufig von der Einheit gesprochen wird. Jedoch zeigt sich mir ein Widerspruch in der Zugänglichkeit von Kursen, denn hier wird eine gewisse Möglichkeit den Körper zu bewegen und zu benutzen vorausgesetzt. Ganz klar würde der ganze Ablauf der Yogastunde verändert werden, wenn eine Person mit einem deutlich anderen Bedarf mit im Raum wäre, es ist ja schon schwierig genug auf alle Teilnehmenden einzugehen. Doch wäre es nicht wunderbar, wenn es ganz normal wäre, wenn ich meine Matte neben einem Rollstuhl ausrollen würde und wir gemeinsam jeweils unseren Sonnengruß praktizieren könnten? Mit Sicherheit wäre dazu ein völlig neues Unterrichtkonzept notwendig, höchstwahrscheinlich müssten mindestens zwei Lehrende in der Stunde anwesend sein und ratsam wäre sicher auch eine besondere Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild. Wichtig an dieser Stelle zu erwähnen ist, dass in Deutschland ca. 16.000 Menschen mit einer Querschnittslähmung leben (vgl. Statistisches Bundesamt,134), ein sehr geringer Anteil der Bevölkerung. Somit ist auch zu erklären, dass der Aufwand, den es mit sich bringt, ein Yogastudio umzurüsten, dass Personen mit Querschnittslähmungen am Unterricht teilnehmen können, sich vermutlich nicht mit der Nachfrage decken würde. Doch möchte ich mit dieser Arbeit alle dazu einladen die Perspektive zu wechseln und von einer Yogastunde, an der wirklich jeder Mensch teilnehmen kann, zu träumen: lokāḥ samastāḥ sukhino bhavantu.
Quellenangaben
Frawley, Dr. David. (2018). Yoga und Ayurveda. Die uralte Kunst und Wissenschaft der spirituellen und psychosomatischen Integration. Oberstdorf: Windpferd Verlagsgesellschaft.
Kuwert, Antje. (2014). Kundalini Yoga für RollstuhlfahrerInnen. Erweitern Sie Ihre Möglichkeiten. Groß-Umstadt: YogiPress.
Statistisches Bundesamt Destatis (Hrsg.). (2019). Statistisches Jahrbuch. Deutschland und Internationales. Statistisches Bundesamt.
Swami Satyananda Saraswati. (2017). Asana Prnayama Mudra Bandha. Munger India: Yoga Publication Trust.
Internetreferenzen
Bodyscan. Yoga Vidya, aus https://wiki.yoga–vidya.de/Bodyscan. Zuletzt aufgerufen 26.10.2020.
Konrad, Tanja. Der Querschnitt.de. Die zehn häufigsten Folgen einer Querschnittslähmung, aus https://www.der–querschnitt.de/archive/28172?fbclid=IwAR0NlyCyydK–WxnqThLV39fXKeUHfrDjytlQEhREMEzsFB2KGqLIwzCr_9A. Zuletzt aufgerufen am 26.10.2020
Querschnittsläsion aus https://www.pschyrembel.de/Querschnittl%C3%A4sion/K0JAB. Zuletzt aufgerufen am 26.10.2020
Schneck, Dr. Dagmar. Apothekenumschau. Querschnittlähmung, aus https://www.apotheken–umschau.de/Nerven/Querschnittlaehmung–339143.html. Zuletzt aufgerufen am 26.10.2020
Yoga Wege – die Ebene des ganzheitlichen und integralen Yoga, aus https://vedanta–yoga.de/integrales–yoga–wege/. Zuletzt aufgerufen am 26.10.2020.
6 Yoga Wege. Yoga Vidya, aus https://wiki.yoga-vidya.de/6_Yoga_WegeZuletzt aufgerufen am 26.10.2020.
Photo by Tim Goedhart on Unsplash
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